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ZEN-Malerei Teil 2

  • Autorenbild: Katharina Proch Pleiss - Malschule Obfelden
    Katharina Proch Pleiss - Malschule Obfelden
  • 10. Juni
  • 4 Min. Lesezeit



In der Sprache der Malerei können sich alle Menschen verständigen. Worte sind hier eigentlich überflüssig. Sie hemmen oft die Gedanken, die sich beim Betrachten eines Bildes  einstellen. Auf die Titulierung eines Werks ist zu verzichten, möchte der Künstler, dass der Betrachter tief in sein Werk eintaucht.

Auch die Malerei mit Tusche kommt ganz ohne Worte aus. Schon während des Anreibens versinkt der Maler in seine spirituellen Gedanken. Er meditiert. Die langsam kreisenden Bewegungen mit der Stangentusche im Reibstein unterstützen diesen Vorgang. Sein Atem passt sich ihnen an. Er kommt zur Ruhe, lässt seine Gedanken treiben und öffnet sich so für die kommende Tätigkeit. Erst wenn er den Geist des  WA-KEI-SEI-JAKU erfahren hat, ist er bereit für das Malen.


WA-KEI-SEI-JAKU  Diese vier japanischen Schriftzeichen bedeuten:

WA = Harmonie, Friede, Versöhnung

KAI = Ehrfurcht, Respekt, Staunen

SEI = Ruhe, Gelassenheit, Sanftheit

JAKU = Stille, Schlichtheit, Einfachheit


Erst wenn der Maler seinen Geist von allem Ballast gereinigt hat, ist es ihm möglich, ein vollkommenes Werk zu gestalten, wie den ENSO ZEN CIRCLE.


 


Wenn er zur Ruhe gefunden hat, gelingt es ihm, einen sauberen Pinselstrich zustande zu bringen. Konzentration und Übung sind Voraussetzung für einen gelungen Strich. Dann ist es möglich, den Pinsel, den verlängerten Arm, gleich einem Tanz über das Papier zu führen.

Das richtige Anreiben der Tusche zu lernen ist ein wichtiger Teil des Studiums der japanischen Kalligrafie.


Ich weiss, wie schwierig es ist, abzuschalten. Darum unbedingt das Handy ausschalten! Eine absolute Stille zu erreichen ist in unserer hektischen Zeit fast nicht möglich. Irgendein Geräusch im Hintergrund ist stets vorhanden. Doch rate ich allen zu einem Versuch. In der Stille sinkt der Blutdruck wie bei leiser Musik. Da stören auch nicht das Zwitschern der Vögel oder das Rauschen des Windes. Sie lassen dich sogar in Träume eintauchen.


Vielleicht beginnst du mit dem malen eines Grashalms!

Tauche deinen weichen Pinsel in die angeriebene Flüssigkeit. Setze die Spitze auf das Papier und führe sie sanft darüber in dem du den Pinsel immer wieder andrückst. So entstehen Verdichtungen, die den Eindruck einer Bewegung des Halms erzeugen.  Gehe über zu ähnlichen Formen.

Wenn du sicherer bist, setze Insekten oder Vögel dazwischen. Auch hier gestalte nur mit leichtem Druck und Anheben des Pinsels. Bleibe locker in deinen Bewegungen.

 

„In der Zen-Malerei portraitiere ich meinen Geist“ lautet die Aussage eines unbekannten Künstlers aus dem 4. Jahrhundert.


All diese Eigenschaften finden sich wieder im Buddhismus, einer Erfahrungsreligion, dessen Ziel es ist, den eigenen Geist durch Erleuchtung zu entwickeln.


Über die Zen-Malerei habe ich schon in einem Beitrag vom 13. März berichtet und auch darüber, wie sie in die Aquarellmalerei zu übertragen ist.
















Hin und wieder beginne ich einen Aquarellmalkurs mit Anreibtusche.

Ich lasse die Schüler-innen ca. 10 Min. den Tuschestein anreiben ohne allzu grossen Druck.

Dann üben sie, setzen Pinselstriche auf das Papier, möglichst ohne ihn abzusetzen, wobei sie ein Gefühl für den Strich entwickeln.


Manchmal besteht die Vorübung darin, ein lockeres Portrait vom Gegenüber zu erstellen, bevor sie zum eigentlichen Thema übergehen. In diesem Fall waren es Steine.



Ich ermutige meine Schüler-innen, die Arbeitsweise der Aquarellmalerei zu übernehmen,

Schicht für Schicht zarte Lasuren zusetzen.


















Hier werden Steine mit Anreibtusche wiedergegeben.


Mit den fein abgestimmten Tuschlavierungen heben sich die Konturen deutlich ab. Sie zwingen die Schüler, exakt zu arbeiten, feine Abstufungen zu erstellen. Gleichzeitig machen sie sich vertraut mit dem Sujet.


Auch Efeublätter eignen sich für eine Übung. Licht und Schatten schaffen Plastizität.



Neben der schwarzen chin. Tusche aus Kohlenstoff in Form von Russ und Bindemitteln (z.B. Tierleim) existieren auch farbige Tuschesteine, die in der japanischen und chinesischen Malerei Fuss gefasst haben. Manchmal werden ihr Moschus oder Kampfer zugefügt.

(Im Internet findet man ein Video, mit dessen Hilfe man selbst Tusche aus Walnusskernen zubereiten kann).



„Farben bedeuten Leben“, sagt man. Ohne sie wäre die Welt trist. Wenn alle Objekte aus dem gleichen Farbton angefertigt wären, hätten wir Mühe, Formen zu erkennen.

In der ursprünglichen Zen-Malerei beruhte das Farbinteresse auf seelisch geistigem Erleben.

„So wie ein Wort erst im Zusammenhang mit anderen Worten seine eindeutige Bedeutung erhält, genauso erhalten die einzelnen Farben erst im Zusammenhang mit anderen Farben ihren eindeutigen Ausdruck und Sinn! „Heute ist es oft von optisch-materieller Art“, behauptete Joh. Itten (schweiz. Maler).

 

Wir machen uns oft nicht die Mühe, ein Objekt genau zu betrachten. Wenn Kinder im Vorschulalter malen, ist ihre Welt auf die Grundfarben beschränkt. Ein Baumstamm ist braun, ein Blatt ist grün, die Sonne ist gelb, der Mohn rot. Wir Erwachsene wissen um die feinen Nuancen in den Farben. Doch auch hier wird oft das Laub eines Baumes mit der Farbe Grün wiedergegeben, wenn auch in unterschiedlichen Schattierungen.

Dabei ist sie ein Produkt aus reflektierten Lichtstrahlen. Physikalisch gesehen sind alle Objekte farblos. Sie werden erst farbig, wenn weisses Sonnenlicht auf die Oberfläche trifft. Bestimmte Lichtwellen werden reflektiert, andere absorbiert. Je nach molekularer Beschaffenheit kann das Objekt dann einen Grünton annehmen.

Wenn sich nun ein „grünes“ Blatt neben einer „roten“ Blume befindet, kann es seine Farbe aufnehmen und ebenfalls Rottöne aufweisen. Blätter, die sich dem Himmel zuwenden

übernehmen oft das Blau des Firmaments.


Fazit: Die Farbe von Objekten verändern sich durch Einwirkung von Licht und ihrer Stellung zu einer Nachbarfarbe.

„Je farbiger das Licht, umso grösser ist die Veränderung.“


Eine Übung mit chin. Tusche ist u.a. eine gute Vorbereitung auf den Wechsel zur Aquarellfarbe. Beide leben von einer Spontanität in der Handhabung und ihrer Klarheit im Ausdruck.

Daran zeigt sich der wahre Künstler. Voraussetzung für beide ist Freude am Malen und natürlich WA-KEI-SEI-JAKU.


春雨貴如油。 / 春雨贵如油。Chūnyǔ guì rú yóu „Frühlingsregen ist so kostbar wie Öl.“

Dieses chinesische Sprichwort wird genutzt, wenn man ausdrücken will, dass man Einsatz und Geduld bringen muss, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Es entspricht daher „Für eine erfolgreiche Ernte ist Regen unbezahlbar“.

 

Mit dieser chin. Weisheit von Xiehouyu verabschiede ich mich für heute

Katharina

 

 
 
 

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