Anleitung für ein einfaches, fiktives Portrait
Dein Antlitz
Dein Antlitz war mit Träumen ganz beladen. Ich schwieg und sah dich an mit stummem Beben. Wie stieg das auf! Daß ich mich einmal schon In frühern Nächten völlig hingegeben
Wie stieg das auf! Denn allen diesen Dingen Und ihrer Schönheit - die unfruchtbar war- Hingab ich mich in großer Sehnsucht ganz, Wie jetzt für das Anschaun von deinem Haar Und zwischen deinen Lidern diesen Glanz!
Hugo von Hoffnungsthal 1.2.1874 - 15.7.1929
Liebe Maler und Malerinnen
Es geht heute weiter mit den Portraits.
Um die Hemmschwelle zu überwinden, die euch von der Verwirklichung eines Selbstportraits abhält, will ich mit euch ein fiktives Portrait erstellen, also ein Portrait ohne ein Modell. Wir werden es auf einfachem Zeichenpapier mit lediglich 4 Farben erstellen, denn in den meisten Fällen gelingt der Versuch nicht auf Anhieb.
Ich habe in den letzten Beiträgen einiges über die Kopfformen, Augen, Nase und Mund berichtet.
Ihre Darstellung prägen ein Gesicht und lassen die Persönlichkeit erkennen. Darum ist es sinnvoll, sie zu üben.
Der häufigste Fehler, der beim Aquarellieren geschieht, ist, dass man zu fest an den Formen festhält, zu sehr zeichnerisch wird. In einem Aquarell soll alles fließen, was uns schon der Name sagt. Es sind die besonderen Merkmale im Gesicht, die einen Wiedererkennungswert besitzen.
Lasst euch darum nicht entmutigen, wenn euer Portrait zu Beginn vielleicht die Ähnlichkeit mit einem Zombie aufweist. Hier würde ich gerne einen Smiley einsetzen!
Wir beginnen mit einer Frontansicht, bei der eine leichte Vorzeichnung erlaubt ist:
Ich verwende Marderhaar Pinsel der Stärke 12 und 3 für die Feinarbeiten
Farben: Kadmium Dunkel, Kadmium Zitrone, Umbra Natur und Umbra gebrannt
Anleitung:
1. Eine leichte Vorzeichnung ist manchmal sinnvoll. Anschließend die Gesicht- und Halspartie leicht anfeuchten.
2. Einen Grundton bestimmen. In meinem Fall ist es eine ziemlich wässrige Mischung aus Krapplack Dunkel und Kadmiumgelb Zitrone, mit der ich das ganze Gesicht und den Hals ausmale.
3. Mit der gleichen Farbmischung und einer Spur Umbra Natur trage ich eine weitere
Schicht auf die inzwischen trockene Farbe auf, lasse aber die erhöhten Stellen, wie
Wangen, Nase, Kinn aus. Die harten Linien löse ich mit einem feuchten Pinsel.
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4. Die Haare deute ich grosszügig mit der gleichen Farbmischung an, allerdings gebe ich etwas Umbra gebrannt hinzu.
5. Ich lege die Augenhöhe fest, bestimme die Lage der Pupillen und verstärke die Seiten an den Wangen, um dem Gesicht Fülle zu verleihen.
6. Jetzt will ich meinem Gesicht noch mehr Plastizität verschaffen. Ich moduliere
die Nasenflügel und zeichne die Oberlippe, betone das Kinn und den Hals.
7. Zum Schluss folgen die Feinheiten wie: Augenlider einzeichnen, die Brauen betonen,
den Haaren mehr Kontur geben, etc.
Hier ist Individualität angesagt.
Bevor wir weitere Portraits üben, z.B. im Profil, lasse ich euch Zeit. Dann werden wir gutes Aquarellpapier verwenden und farbiger arbeiten.
Ich kann euch versichern, dass jeder Künstler mit den Anfängen zu kämpfen hat und hatte. Erst die Übung macht den Meister. Ich weiss, dieser Ausspruch ist abgedroschen und doch stimmt er in diesem Fall.
Viel Glück und auch viel Spaß
Katharina
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